Design-Stories
mit Hanne Willmann
Ihr Design vereint Reduktion und Emotionalität: Hanne Willmann gehört zu den bekanntesten Designerinnen Deutschlands. Im Interview spricht sie mit uns über ihre Inspirationsquellen, ihr Arbeiten im Team und ihren eigenen Wohnstil. Auch bei uns im Ambiente zeigt Hanne Willmann einige ihrer Möbel und Entwürfe.

Hallo Frau Willmann, Sie sind Jahrgang 1987, haben schon im Alter von 28 Jahren Ihr eigenes Studio gegründet, wie sind Sie zum Design gekommen?
Ich habe bereits als Kind liebend gern gebastelt. Schon im Alter von 16 Jahren habe ich überlegt, ob ich im Bereich Interieur- oder Produktdesign arbeiten möchte. Nach einem Praktikum in einer Modellbauwerkstatt stand dann mein Berufswunsch fest. Dort durfte ich nicht nur fräsen und alle anderen Fertigungstechniken, viele Herstellungsverfahren und auch den Oberflächenbau kennenlernen, sondern auch mit vielen Materialien umgehen. Diese Erfahrung hinsichtlich Experimentierfreude und ein Materialverständnis prägt mein gesamtes Berufsleben – bis heute.
Bereits im Studium habe ich mich entschlossen, in die Selbständigkeit zu gehen. Das bietet eine große Vielfalt: Ich habe bereits im Studio von Werner Aisslinger gearbeitet und auch mein Wissen um Designprozesse als Lehrbeauftragte an der Hochschule Anhalt in Dessau vermittelt. Seit 2015 habe ich mein eigenes Studio in Berlin im Umfeld vom Prenzlauer Berg.
„Ich liebe es, wenn Produkte einen auf den ersten Blick überraschen“
Was waren Ihre ersten Entwürfe und Produkte und für welche Hersteller? Und gibt es ein persönliches Lieblingsstück?
Mein erster Entwurf, der dann auch tatsächlich realisiert wurde, war die sogenannte Willmann Vase für den Hersteller Menu. Damals war ich noch im Studium, und habe die Vase als Weihnachtsgeschenk für meine Schwiegermutter entworfen. Ich wollte dabei mit Materialkontrasten spielen; mit der Zerbrechlichkeit von Glas und der Schwere des Betons. Der Beton sitzt auf dem Glas, so dass man nur den unteren Teil Stängel der Blumen sieht und oben die Blüte oder das Blatt. Das ist ganz einfach, aber ungewöhnlich. Ich liebe es, wenn Produkte einen auf den ersten Blick überraschen.

Was ist die Quelle Ihrer Inspiration – oder sind es sogar mehrere?
Ob Vase, Leuchte Sessel oder Regal: Mir ist es wichtig, dass die Produkte eine Geschichte erzählen. Ich glaube, mein Design ist sehr empathisch und ich bin auf der Suche nach dem gewissen Etwas. Ich bin überzeugt, gutes Design ist, wenn man sich emotional angesprochen fühlt.“
Was hat Sie noch beeinflusst?
Sicherlich hat mich mein Auslandssemester für das Designkollektiv Autoban in Istanbul sehr inspiriert. Die Gründer, also die Architektin Seyhan Özdemir und der Interiordesigner Sefer Cağlardas, sind in der Tradition des deutschen Bauhauses ausgebildet worden. Beide sind, wie ich, überzeugt, dass Design immer eine emotionale Komponente benötigt, um gestalterische Kraft zu haben. Autoban steht für die kreative und gestalterische Verbindung von europäischen und orientalischen Einflüssen.
Wie würden Sie selbst Ihre Formensprache bezeichnen?
Gleichzeitig vereint mein Design die Leidenschaft für Reduktion, nennen wir es ruhig Purismus. In mir selbst steckt ein Stück Reduktion. Ich konzentriere mich gern auf die Essenz der Dinge – das Wesentliche. Grundsätzlich ist mein Stil eher nordisch, also mit einer klaren Formensprache, oft mit geometrischen Grundformen, natürlichen Materialien und reduzierten Farben. Vielleicht hat das mit meiner norddeutschen Heimat zu tun.
Gibt es Lieblingsdesigner oder Vorbilder in der Designwelt?
Sehr beeindruckt mich die spanische Designerin und Architektin Patricia Urquiola. Sie steht für Eleganz ebenso wie für Understatement. Und sie verbindet traditionelle Materialien mit innovativen Techniken. Ihre Entwürfe sind hochemotional und meist ein Stück verspielt. Und sehr gefördert hat mich Angela Schramm: Als Head of Marketing und Expertin für Kommunikation hat sie ein großes Gespür für Design und Trends.
Auch die Treffen mit Journalistin Barbara Friedrich, langjährige Chefredakteurin bei Architektur & Wohnen, und mit Designer Andrej Kupetz haben mich geprägt. Er war Geschäftsführer des Rates für Formgebung/German Design Council. Die Institution zählt zu den weltweit führenden Kompetenzzentren für Kommunikation und Wissenstransfer im Bereich Design und verleiht den German Design Award. Und nicht zuletzt Designerin Carolin Sangha, Kreativdirektorin bei Schönbuch.

Ein Wort zu Ihrem Studio im Stadtteil Weissensee in Berlin: Wie sieht Ihr Arbeitsplatz aus?
Ich habe keinen üblichen Arbeitsplatz mit Schreibtisch und Co. Der große Tisch, um den sich unser kleines Team gruppiert, ist der Treffpunkt mit meinen Kollegen, quasi wie in großes Moodboard, für Brainstormings, Diskussion, Materialauswahl, eigentlich für den gesamten Designprozess. Dafür räumen wir dann unsere Computer an die Seite.
Wie ist Ihr ganz persönlicher Einrichtungsstil?
Ich würde ihn als nordish by nature bezeichnen. In unserer Wohnung dominiert eindeutig ein nordischer Stil. Diesen klaren Look mit reduzierten Formen und zurückhaltenden Farben kombiniere ich mit ganz persönlichen Lieblingsstücken aus meiner Heimat. Einige davon hat meine Mutter liebevoll restauriert.
Und ich kombiniere diese natürlich auch mit eigenen Möbeln. Ich habe gerade für Freifrau den Sessel Nana entworfen, in ganz weichen, fast wolkenhaften Formen. Auf den bin ich besonders stolz, weil es ein ganz femininer Entwurf ist, ohne dass er nur dekorativ wirkt. Den Sessel habe ich gerade weiterentwickelt - mit Entwürfen für ein Sofa und auch einen Loveseat, noch softer, und noch dicker. Beim Salone del Mobile in Mailand im vergangenen Jahr habe ich ihn erstmals präsentieren können. Ich meine, die kommenden Wohntrends werden ganz allgemein nicht nur persönlicher, sondern auch bunter, mit Einzelstücken, Kunsthandwerk und ganz besonderen individuellen Schätzen.



Bei Möbel Hesse zeigen Sie Entwürfe und Produkte, die unter anderem für JAB Anstoetz und Schönbuch entstanden sind. Waren Sie schon einmal bei uns im Einrichtungshaus?

Nein, leider kenne ich das Möbelhaus noch nicht von persönlichen Besuchen. Aber das kann sich ja noch ändern. Insbesondere bei der Kompetenz beim Thema Design, aber auch Nachhaltigkeit höre ich aber immer wieder viel Spannendes über das Familienunternehmen. Der Bereich Ambiente etwa gilt als eine der größten Ausstellungen für exklusives und modernes Wohnen in Norddeutschland, das hat sich auch in der Designszene herumgesprochen.
Sie haben trotz Ihres jungen Alters bereits als Dozentin an der Hochschule für Design in Dessau gearbeitet, Nachfolgerin des Bauhaus. Was bedeutet das für Sie und wie fühlt sich das an, Studenten bei Ihren Entwürfen zu beraten?
Zum Bauhaus hatte ich schon immer eine große Nähe. Die Reduktion auf das Wesentliche und der konstruktive Gedanke – das ist genau meine Philosophie und mein Designansatz. Es war schon faszinierend, am weltbekannten Bauhaus in Dessau einige Lehraufträge zu haben. Der Kontakt zu den Studentinnen und Studenten war superspannend, denn ich war dort Dozentin für Technologie und Konstruktion – und war ganz dicht dran an den Themen, die die Studierenden bewegen.
Interview: Jutta Grätz, Möbel Hesse